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Frankreich: Das bunte Sammelsurium Loppsi 2 reloaded

September 9, 2010

In Frankreich wurde gestern Abend der Artikel 4 des Gesetzespakets Loppsi2 angenommen. Nun können die Behörden die Internetanbieter anweisen, Seiten zu sperren – und zwar ohne richterliche Kontrolle.

Internetsperren, Verlängerung der Online-Durchsuchung, Erweiterung der Datenbanken der Polizei (u.a. durch genetische Informationen), Einführung von Ganzkörperscannern, verstärkte Kameraüberwachung (Ende 2011 soll eine Zahl von 60.000 Kameras erreicht werden – Budget: 23 Millionen €uro), Ausgangssperre nach 23 Uhr für Jugendliche unter 13, Einsatz von Trojanern und Keyloggern auf verdächtigen Computern (auch bei Verdacht auf Hilfeleistungen für illegale Einwanderer), einfallsreicher Neusprech (aus „Kontrolle“ wird „Schutz“) : All dies ist Teil des bunten Sammelsuriums Loppsi 2 über die „Orientierung und Programmierung für die Durchführung  der inneren Sicherheit“ (Loi d’orientation et de programmation pour la performance de la sécurité intérieure), über das bereits seit Anfang dieser Woche im französischen Senat diskutiert wird und den Staat voraussichtlich 2,539 Milliarden €uro kosten wird.

In Frankreich erfolgt die Gesetzgebung durch das Parlament, das sich aus Nationalversammlung und Senat zusammensetzt. Anfang des Jahres nahm Loppsi 2 mit der Annahme durch die Nationalversammlung (312 zu 214 Stimmen) die größte Hürde. Von den 40 Artikeln und 406 Änderungsanträgen, die nun im Senat zur Diskussion stehen, betreffen drei Artikel den digitalen Bereich:

Identitätsdiebstahl: Der Art. 2 wurde bereits am Dienstag vom Senat abgesegnet. Identitätsdiebstahl, der darauf abzielt, die persönliche Ehre zu verletzen oder den Ruf zu schädigen, kann nun mit einer Gefängnisstrafe von maximal einem Jahr und 15.000 €uro bestraft werden. Der Senat hat den Artikel in einer abgeschwächten Version verabschiedet, da die Fassung der Nationalversammlung Strafen nicht nur für die Entwendung, sondern auch für die missbräuchliche Nutzung von personenbezogenen Daten vorsah. Allerdings gibt es nun trotzdem das Risiko, dass mit der Verabschiedung dieses Artikels gegen Karikaturen oder lustig gemeinte falsche Profile in sozialen Netzwerken vorgegangen werden kann. Der Grat zwischen Meinungsfreiheit und dem Schutz der persönlichen Ehre ist schmaler geworden.

Einsatz von Trojanern: Der Artikel  23 wurde wie eine moderne Version des Lauschangriffs präsentiert, aber im Senat bis jetzt noch nicht behandelt. Ermittlungsrichter können die Online-Durchsuchungsmaßnahmen nur bei bestimmten Delikten einsetzen, z.B. beim sogenannten „Solidaritätsdelikt“. Während jedoch telefonische Abhörmaßnahmen vom Richter nur für einen Monat angeordnet werden können, sieht der Text für die Online-Durchsuchung  einen Zeitraum von vier Monaten vor. Die Priorität liegt zwar beim materiellen Installieren wie z.B. durch USB-Sticks, schließt aber eine „Übermittlung durch ein elektronisches Kommunikationsnetz“ nicht aus. Durch eine Ausnahme können sogar Verfahren wegen weiterer Vergehen eingeleitet werden, die erst bei der Durchsuchung entdeckt werden. Bei solchen Zufallsfunden besteht nicht die Gefahr, dass die dadurch gewonnenen Beweise nicht verwertbar sind.

Internetsperren für Seiten mit kinderpornographischem Inhalt:  Der umstrittene Artikel 4 wurde gestern Abend vom Senat angenommen. Fast alle Änderungsanträge bezogen sich auf die Notwendigkeit einer gerichtlichen Kontrolle, bevor die Verwaltung den Internetdienstanbietern eine Liste der zu sperrenden Seiten übermittelt. Die Bedingung der richterlichen Kontrolle wurde der Nationalversammlung vom Verfassungsrat aufgezwungen und vom Senat nun wieder rückgängig gemacht.

Im Gesetzestext heißt es jetzt

wenn es die Notwendigkeit des Kampfes gegen die Verbreitung von kinderpornographischen Bildern oder Abbildungen rechtfertigt, benachrichtigt die Verwaltung die [Internetdienstanbieter] und übermittelt ihnen die elektronischen Adressen (…), zu denen unverzüglich der Zugang gesperrt werden muss.


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