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Mehr Zensur durch Ausweitung der Internetsperren in Frankreich

June 20, 2011

In Frankreich kam Ende letzter Woche ein Vorschlag zutage, der es einer Reihe französischer Behörden ermöglichen soll, Internetsperren und -filter ohne Richterbeschluss anzuordnen.

Es handelt sich hierbei um einen Verordnungsvorschlag der Regierung, der die Umsetzung von Artikel 18 des „Gesetzes für die digitale Wirtschaft“ (LCEN) definiert. Nach Artikel 18 LCEN kann jegliche Art von Aktivität im Netz „eingeschränkt“ werden, um die öffentliche Ordnung aufrechtzuhalten oder die innere Sicherheit, Minderjährige, das Gesundheitswesen, die Verbraucher etc. zu schützen. Diese Einschränkung kann auf alle Personen, Dienste oder Unternehmen angewendet werden, die „E-Commerce“ betreiben – wobei der Begriff „E-Commerce“ im Text so definiert ist, dass er alle Personen meint, die Dienste oder Inhalte im Internet anbieten – das heißt also das komplette Internet.

Der Verordnungsvorschlag erklärt nun genau, wie gesperrt werden soll und wer sperren darf. Laut Artikel 1 des Vorschlags sollen sich künftig auch Ministerien des Art. 18 bedienen dürfen, die sich eigentlich gar nicht mit Fragen der Internet-Regulierung befassen, und zwar: Das Verteidigungs-, das Justiz-, das Innen-, das Wirtschafts-, das Kommunikations- und das Gesundheitsministerium, das Ministerium für digitale Wirtschaft sowie das französische Amt für Sicherheit in der Informationstechnik (ANSSI). Laut Artikel 2 des Vorschlags gibt es drei Etappen:

  1. Zuerst wird der Betreiber einer Seite ermahnt, die Veröffentlichung einzustellen, den Zugang zum Inhalt zu sperren oder ganz vom Netz zu nehmen,
  2. Passiert dies nicht innerhalb von 72 Stunden, wird der Hosting-Provider von der Behörde benachrichtigt, den Inhalt zu löschen oder die Veröffentlichung zu verhindern.  
  3. Reagiert der Hosting-Provider auch nicht, wird direkt der Internetdienstanbieter kontaktiert, damit die Seite gesperrt wird.

Der Verordnungsvorschlag wird jetzt durch den französischen Staatsrat gehen, der die Frage  beantworten muss, ob Internetsperren durch eine Verordnung derart ausgeweitet werden können.

Allerdings gibt es genügend Unsinn in dem Vorschlag und der noch recht junge französische Internet-Rat (Conseil National du Numérique) scheint dies auch so zu sehen. Er hat heute in einer Stellungnahme seine Hauptkritikpunkte veröffentlicht, von denen ich einige hier kurz aufliste: 

  • Eigentlich hätte man mit dem Vorschlag zunächst nach Brüssel gehen müssen, da das Gesetz die Informationsgesellschaft betrifft.
  • Der Begriff „Betreiber einer Internetseite“ ist zu vage und wird nirgends definiert.
  • Der franz. Verfassungsrat hatte bereits 2004 entschieden, dass technische Vermittler, also Internet-Provider, nur Verantwortlichkeit tragen, wenn es sich ganz klar um einen illegalen Inhalt („manifestement illicite“) handelt.
  • Die Verordnung würde ein präventives Filtersystem erschaffen, da Hosting-Provider durch Androhung von Sanktionen zur allgemeinen Überwachung der Inhalte angeregt werden.
  • Der Vorschlag sieht vor, dass Internet-Provider direkt gebeten werden können, Seiten zu sperren, wenn es sich um einen „Notfall“ handelt. Das Argument des „Notfalls“ kann aber leicht missbraucht werden.

Auch die Bürgerrechtsorganisation La Quadrature du Net verurteilt den Vorschlag und kritisiert, dass hierdurch die „Regierung unverhältnismäßig große Macht erhalten würde, um Webseiten oder Inhalte im Internet zu zensieren“. 

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  1. Tharben permalink
    June 21, 2011 6:35 am

    Hallo. Ich wollte mich nur einmal bei euch bedanken. Die Informationen, die ihr aus Frankreich “mitbringt” (und auf netzpolitik.org crosspostet) würde ich andernfalls gar nicht wahrnehmen. Danke.

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  1. Mehr Zensur durch Ausweitung der Internetsperren in Frankreich » netzpolitik.org
  2. Frankreich: Zensur als Beitrag zur Zivilisierung des Internets : Denis Simonet

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